Agenturen dpa, 18:14 Uhr, 11.10.2011
Rechtliche Zweifel an «Demokratie-Erklärung»
Umstritten war Sachsens «Demokratie-Erklärung» schon immer. Nun können ihre Gegner auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend machen. Noch denkt das Innenministerium aber nicht an einen Verzicht.
Dresden (dpa/sn) - Die vom Innenministerium verlangte sogenannte Demokratie-Erklärung verstößt nach Ansicht der Landtagsjuristen gegen geltendes Verfassungsrecht. Wenn bei Förderanträgen ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung verlangt werde, werde «in nicht gerechtfertigter Weise in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung eingegriffen», heißt es in einem am Dienstag in Dresden bekanntgewordenen 29-seitigen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments. Zudem werde damit gegen das in der sächsischen Verfassung und im Grundgesetz garantierte Gleichbehandlungsgebot verstoßen.
>>> PDF Gutachten des Jur. Dienstes
Die Grünen-Fraktion, die die Expertise in Auftrag gegeben hatte, sprach von einer «heftigen Ohrfeige für CDU-Innenminister Markus Ulbig». Zur «politischen Absurdität» der Erklärung komme nun auch die Bestätigung für schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken. Ulbig müsse von der Demokratie-Erklärung Abstand nehmen, verlangte der Extremismus-Experte der Grünen, Miro Jennerjahn. Die gleiche Forderung erhob der SPD-Abgeordnete Henning Homann. Das Gutachten belege, dass die Demokratie-Erklärung jeglicher Grundlage entbehre. Sie müsse daher sofort zurückgezogen werden.
Ulbigs Ministerium erklärte, dass das Gutachten geprüft werde. «Die Erklärung soll verhindern, dass Extremisten und Feinde der Demokratie Fördergelder erhalten», sagte Sprecher Frank Wend. Zugleich widersprach er der Darstellung Jennerjahns und Homanns, dass sich die Erklärung bereits negativ auf die Arbeit der Demokratie-Projekte auswirke. «Die angebliche Verunsicherung bei den Projektträgern kann von uns nicht festgestellt werden», sagte Wend. «Die Opposition soll aufhören, das erfolgreiche Förderprogramm öffentlich schlecht zu reden.»
Über die Erklärung zur Verfassungstreue hatte es in Sachsen monatelange Debatten gegeben. Dennoch hatten zuletzt fast alle Antragsteller das Papier unterschrieben. Laut Innenministerium gab es nur zwei Verweigerer und etwa 100 Unterzeichner. Demokratie-Projekte, die das Bekenntnis nicht abgeben, sind von der jährlich knapp zwei Millionen Euro umfassenden Förderung im Landesprogramm «Weltoffenes Sachsen» ausgeschlossen.
Ausgebrochen war der Konflikt bei der Vergabe des Sächsischen Förderpreises für Demokratie Anfang November 2010. Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz (AKuBiZ) aus Pirna hatte kurzfristig die Annahme des Preises verweigert und dies mit der damals vorgelegten Extremismus-Klausel begründet. Infolge der Auseinandersetzung hatte die Regierung schließlich den Wortlaut der Erklärung verändert und darauf verzichtet, die Vereine auch auf eine Überprüfung «extremistischer Strukturen» bei ihren Partnern zu verpflichten.
Für den diesjährigen Förderpreis, der nunmehr ohne Beteiligung der Staatsregierung ausgerichtet wird, liegen 67 Bewerbungen vor. Er soll am 9. November verliehen werden. Der Jury gehören unter anderem «Prinzen»-Sänger Sebastian Krumbiegel und Ex-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) an.
Von Tino Moritz, dpa
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