sz-online-exclusiv, 01.12.2001
Bieko-Jäger: "Der große Knall kommt noch!"
Karl Nolle (SPD) im Interview mit sz-online, von Marcel Henninger, online-exklusiv
DRESDEN. Viele Sachsen hätten ihn am liebsten schon aus dem Freistaat gejagt. Denn ihrer Ansicht nach ist er ein Verräter, Miesmacher und Nörgler. Doch jetzt scheint
Karl Nolle (SPD) auch die größten Kritiker überzeugt zu haben. Das Mitglied der Landtagsfraktion verfolgt seit einem dreiviertel Jahr nur ein Ziel: Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zu stürzen. Vor allem bei den Finanzen, versucht Nolle den Mann zu packen. Jetzt hat auch der Bund der Steuerzahler bestätigt: Beim "Sachsenkönig" geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Ob Fehlnutzung der Dienstwohnung Schevenstraße oder schräge Verträge mit Großinvestoren im Paunsdorf Center, der SPD-Mann war der erste, der den Mut hatte, den Mund aufzumachen. sz-online sprach mit Nolle über seine Motive, Gefühle und die Hintergründe der Bieko-Verfolgung.
sz-online: Monatelang wurden Sie verspottet. Kaum jemand glaubte Ihnen oder nahm die Vorwürfe gegen Biedenkopf ernst. Woher nehmen Sie den Durchhaltewillen?
Karl Nolle: "Wenn ich etwas mache, dann nicht aus Affekt. Ich mache keine Luftnummern. Als Unternehmer mit eigener Druckerei arbeite ich immer ergebnisorientiert."
sz-online: Aber das ständige in Frage stellen Ihrer Behauptungen muss Sie doch irgendwann richtig unter Druck gesetzt haben?
Nolle: "Ich will mich nicht unterordnen. Ich habe bei Obrigkeiten ein hohes Maß an Zivilcourage. Was nicht immer zu meinem Vorteil ist. Auch wenn es in der SPD hakt, mache ich den Mund auf. Und unter Druck werde ich sogar besser. Ich brauche den Gegenwind, um richtig in Fahrt zu kommen."
sz-online: Was hat ihre Fraktion dazu gesagt? Vor allem in der Anfangszeit, als Ihnen niemand glauben wollte.
Nolle: "Bis Mai diesen Jahres war ich mit meinen Vorwürfen gegen Biedenkopf allein. Bei vielen SPD-Kollegen herrschte nur blankes Entsetzen. Aber irgendwann haben die und auch viele Sachsen sich gesagt, diese Schweinereien wollen wir nicht mehr mittragen. Heute, bei einer geheimen Abstimmung im Parlament, hätte Biedenkopf keine Mehrheit mehr. Sogar in den eigenen Reihen rumort es."
sz-online: Hatten Sie nicht irgendwann die Befürchtung, Ihnen geht die Luft aus?
Nolle: "Nein. Immer wenn alle dachten, ich bin am Ende, hatte ich wieder was Neues in dem großen Mosaik. Ein Stein nach dem anderen habe ich zusammen getragen. Bis ich Herrn Biedenkopf dann letztendlich der Lüge überführt habe."
sz-online: Welcher Lüge?
Nolle: "Der Ministerpräsident hatte immer wieder behauptet, er habe das Konzept für das Paunsdorf-Center selbst geschrieben. Aber das konnte ich nicht glauben, dafür hat er gar keine Zeit. Und jetzt kommt raus, Investor Heinz Barth hat´s für ihn geschrieben."
sz-online: Woher bekommen Sie eigentlich Ihre Informationen?
Nolle: "Ich habe bei mir im Büro eine Ablage eingerichtet. Da steht "Robin Hood" drauf. Zuerst nur aus Spass. Aber dann füllte sich der Korb. Die Informationen kommen von Bürgern, die sich über Biedenkopf ärgern. Beispielsweise darüber, dass sich Ingrid Biedenkopf regelmäßig mit dem Dienstwagen zum Frisör "Neue Linie" in Dresden fahren lässt. Oder nach Thüringen zur Heilpraktikerin oder, oder. Die Infos kommen aber auch von CDU-Abgeordneten oder Ex-Ministern. Und zwischendurch stecken mir auch Journalisten die Informationen. Wenn auch sieben Hinweise quatsch sind, drei stimmen. Eine ausreichende Quote."
sz-online: Gab´s auch Gegenwind?
Nolle: "Klar. Einer hat einen Brief geschickt mit der Adresse "Nolle, das Schwein, Dresden", der ist bei mir angekommen. Solche Beschimpfungen gehören dazu."
sz-online: Haben Sie ein bestimmtes Ziel mit Ihren Aktionen?
Nolle: "Ja, ich will den korrupten Ministerpräsidenten, der mit seinem Glorienschein eine Bananenrepublik geschaffen hat, stürzen. Wenn Biedenkopf gehen muss, wäre das ein Erfolg."
sz-online: Sind Sie nicht schon jetzt zufrieden, weil man Ihnen endlich glaubt?
Nolle: "Schon. Endlich haben die meisten erkannt, dass es sich hier um mafiöse Strukturen handelt. Und Biedenkopf die Marionette eines Investors ist. Und jetzt sitzt er mit seiner Lüge in der Falle. Das ist natürlich erst einmal nur unmoralisch und nicht rechtsrelevant. Aber wenn bei dem ganzen Deal der Freistaat 30 Millionen Mark zu viel zahlen muss, wird´s interessant. Es geht dann um Untreue im Amt. Und das kann Biedenkopf nicht aussitzen, ich werde es verhindern."
sz-online: Was kommt als nächstes?
Nolle: "Ich habe am Freitag eine kleine Anfrage ins Parlament eingebracht. Da geht es darum, wo der Ministerpräsident Steuern zahlt. Zuverlässige Quellen sagen mir, er zahlt seine Steuern in Düsseldorf und nicht in Dresden."
sz-online: Sind weitere Aktionen geplant?
Nolle: "Ja. Vielleicht können Sie schon nach dem Wochenende wieder etwas darüber schreiben. Und ich bin überzeugt, es kann noch einen größeren Knall geben. Der ganz große Skandal kommt noch. Da können Sie sich auf mich verlassen."
---------------------
(Anmerkung Karl Nolle: Der Text ist ein Auszug aus einem langen Gespräch, manche Ausagen kommen verkürzt und konnten aus Zeitgründen in der Form nicht authorisiert werden. Das ändert aber nichts am Grundtenor des Interviews.