Süddeutsche Zeitung, 16.05.2001
Im Profil
Karl Nolle - ärgster Biedenkopf-Kritiker
DRESDEN. "Tata, tata, tata, puff", notierte das Protokoll des sächsischen Landtags im September 2000. Als Urheber des Zwischenrufs wurde der Abgeordnete
Karl Nolle vermerkt. Der Sozialdemokrat kommentierte damit eine Rede des drögen Chefs der CDU-Fraktion. Auf der Tribüne meinten manche gehört zu haben, dass Nolle sogar "wuff" gerufen und damit gebellt hätte. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf reagierte selbst mit einem Zwischenruf: "Das war der intelligenteste Beitrag, von Herrn Nolle bisher!" Da ahnte Biedenkopf nicht, was von Nolles Seite noch alles auf ihn zukommen sollte.
In den vergangenen drei Monaten hat sich der 56 Jahre alte Druckereiunternehmer, der seit 1999 im Dresdner Landtag sitzt, zu einem gnadenlosen Biedenkopf-Jäger entwickelt. Er schießt mit breiter Streuwirkung, indem er Ungeprüftes in Umlauf bringt. Aber Nolle hat mehrfach ins Schwarze getroffen. Mit seinen Anfragen nahm die Affäre um den Regierungschef im Februar ihren Anfang. Schon ein paar Wochen zuvor hatte er mit Hinweisen auf die Vergangenheit der Biedenkopf-Eltern im Dritten Reich Aufsehen erregt. Biedenkopf mag den provokanten Linken seither nicht mehr sehen. Den SPD-Fraktionschef soll er gar gebeten haben, Nolle nicht in einen Untersuchungsausschuss zu entsenden. Derzeit legt Nolle täglich nach. Er sitze im Zug ganz vorn und schmeiße Kohle nach, bekennt er freimütig.
Bereitwillig dient er als Durchlauferhitzer für allerlei Vorwürfe - auch für solche, die nicht belegt sind. Er rühmt sich, zur Anlaufstelle für Bürger geworden zu sein, die sich über, den herrschaftlichen Stil der Biedenkopfs ärgern. Davon gibt es in Sachsen auch im konservativen Lager nicht wenige. Ihn störe das "höfische, vordemokratische Gebaren" des Regierungschefs, begründet Nolle seine Angriffe. Was ihm zugetragen wird, bietet er penetrant Journalisten an und freut sich wie Bolle, wenn es veröffentlicht wird. Seinen Stil und die drastische Wortwahl - einen irreführenden Bericht der Staatskanzlei nannte er "brutalstmögliche Verarschung" - empfinden auch SPD-Genossen als gewöhnungsbedürftig und meinen doch, dass er notwendige, wenn auch unappetitliche Arbeit verrichtet.
Die CDU, so weit sie noch zu Biedenkopf steht, beschimpft ihn als Dreckschleuder. Doch einige gravierende Vorwürfe sind längst von Biedenkopfs Staatskanzlei im Kern bestätigt worden. Der schwergewichtige Unternehmer kam 1990 aus Niedersachsen - wo er auch der SPD gelegentlich zu links war nach Dresden. 1991 übernahm er ein Druckhaus, bei dem heute rund 60 Mitarbeiter angestellt sind. In diesem Jahr wäre Nolle gern Dresdner Oberbürgermeister geworden, scheiterte aber schon am Widerstand im eigenen Lager. Dabei hätte er auf Unterstützung von Gerhard Schröder hoffen können, mit dem er seit den Siebzigern befreundet ist.
Zu Schröder pflegt auch Biedenkopf einen guten Draht. Der soll sich schon an den Kanzler gewandt haben, mit der Bitte, mäßigend auf Karl Nolle einzuwirken. Nolle versichert, dass solche Versuche bei ihm das Gegenteil bewirken würden.(Jens Schneider)