Karl Nolle, MdL

"Es war ein Pokerspiel"

 
DRESDEN. Karl Nolle hat eine Schwäche für Altes. Im Besprechungszimmer seiner Druckhaus Dresden GmbH zeugen drei Telefone von den Anfängen der fernmündlichen Kommunikation. Blickt der Besucher durch die Glaswand in den Vorraum, schaut er auf eine Batterie von schwarzen Schreibmaschinen, ordentlich nebeneinander aufgestellt. Und im Keller steht gar ein ganzes Museum. Eine Million Mark hat Nolle in die vier etwa hundert Jahre alten Druckmaschinen und weiteren Gerätschaften investiert. "Wir sind die einzigen auf der Welt, die noch im farbigen Lichtdruckverfahren produzieren können", erzählt er stolz. Kunstdrucke werden hier immer noch angefertigt. Künstler, Volkshochschul-Gruppen und Touristen kommen außerdem, um das alte Verfahren des Steindrucks anzuwenden, es zu erlernen oder einfach nur zu bestaunen.

Druckmaschinen auf Verdacht bestellt

Karl Nolle kam 1990 nach Dresden, "um nach der Wende beim Aufbau der mittelständischen Wirtschaft zu helfen". Ein halbes Jahr beriet er unentgeltlich die Dresdner Offset Druck GmbH, einen Splitterbetrieb des von der Treuhand zerschlagenen Druck-Kombinats GGV. "Ich dachte, ich helfe und fahre wieder zurück nach Hannover in meine eigene Druckerei", erzählt der Unternehmer. "Doch dann habe ich gesehen, daß ich es selber machen muß." Bereits im Oktober 1990 bestellte Nolle Druckmaschinen im Wert von 650 000 Mark - auf Verdacht, wie er sagt. "Wir wußten nicht, ob, wann und zu welchen Konditionen wir den Betrieb von der Treuhand bekommen würden. Aber eines war klar: Bei einem Zuschlag mußte alles sehr schnell gehen." Eine Woche nach Unterzeichnung der Übernahmepapiere im März 1991 wurden die neuen Maschinen geliefert. "Es war ein Pokerspiel, ein einziges Abenteuer. Aber es hat geklappt." Nolle war nun verantwortlich für 30 Mitarbeiter. Im ersten Monat standen 25 000 Mark Umsatz 75 000 Mark Lohnkosten gegenüber. Doch es ging bergauf. Ende 1991 wurden die ersten Gewinne eingefahren, dadurch ermöglicht, daß Aufträge für das Hannoveraner Druckhaus in Dresden ausgeführt wurden. Heute steht das mittlerweile in Druckhaus Dresden GmbH umbenannte Unternehmen auf einer soliden Basis. Für 1998 wird ein Umsatz von 7,6 Millionen Mark erwartet. Die Zahl der Mitarbeiter ist auf 50 erhöht worden. Allein in diesem Jahr hat Nolle 12 Millionen Mark für neue Druckmaschinen ausgegeben. Die Gesamtinvestitionen seit der Übernahme werden bis Jahresende 20 Millionen betragen, so der Geschäftsführer und Gesellschafter. Denn: "Nur mit modernster Technik können wir überleben." Bereits 75 Prozent der Aufträge seien ctp-Aufträge. Dabei wird vom Computer direkt auf die Druckplatte belichtet. Früher notwendige Zwischenschritte entfallen. "Jetzt sind wir Marktführer in Dresden und Ostsachsen", ist Nolle stolz auf das bisher Erreichte.

Verantwortung auf den einzelnen übertragen

Besonders wichtig sind ihm die Qualifizierung und Motivation seiner Mitarbeiter. Um die Eigeninitiative zu fördern, hat Nolle im vergangenen Jahr eine Mitarbeiterbeteiligungs GmbH gegründet. Zwölf Verwaltungsangestellte sind dort Gesellschafter. Ein Investivlohn-Fonds für alle Mitarbeiter steckt derzeit noch in der Entwicklung. "Es ist wichtig, die Verantwortung von der hierarchischen Ebene auf den einzelnen zu übertragen", begründet Nolle. Christl Nolle ist immer an der Seite ihres Mannes. Auch sie ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin. Vor drei Jahren haben die beiden das Unternehmen in Hannover verkauft und sind mit der Familie nach Dresden gezogen. "Ich habe zwar jetzt ein riesengroßes Risiko und Schulden wie noch nie zuvor", sagt Karl Nolle, "aber es ist aufregend, denn die Firma ist unser Lebensprojekt."
(Claudia Schade)