ND – Neues Deutschland, 10.08.2003
»SoKo Filz«
Nolle hat ein neues Ziel, der Innenminister des Freistaates
Karl Nolle, »SPD-Abgeordneter und Kämpfer gegen den schwarzen Filz« - so stellt sich das Landtags-Schwergewicht gern vor. So wie unlängst vor Bürgern in Zschopau. Dort wohnt CDU-Promifrau Christine Weber. Seit einer Filz-Affäre um Flut-Fördergelder, zu deren Erhellung Nolle beitrug, ist sie Ministerin a.D. Demnächst könnte die Ein-Personen-SoKo »Filz« nach Großenhain fahren. Von dort kommt CDU-Innenminister Horst Rasch. Nolle hat ihn jetzt angezeigt - weil er Weber begünstigt haben soll. Chefaufklärer und »Kampfwalze« der Opposition - dieses Image pflegt der Druckereibesitzer, seit er 1999 in den Landtag kam. Fachäußerungen des Unternehmers, der seine Mitarbeiter am Betrieb beteiligt hat, sorgen selten für Aufsehen. Doch seine Indiskretionen aus dem CDU-Machtapparat, für die Nolle von Insidern offenbar gut gefüttert wird, werden registriert, weil sie nicht selten politische Beben ankündigen.
Dabei war der Stil des Niedersachsen zunächst selbst Parteifreunden peinlich. Doch seit Anfragen von Nolle zu den Lebensverhältnissen des Ex-Regierungschefs Kurt Biedenkopf eine Affäre auslösten, die den »Sachsen-König« zum Rücktritt trieb, wird Nolles Mitteilungsflut beachtet - ganz gleich, ob es um die Weber-Affäre, eine womöglich, über die Firma Sachsenring abgewickelte CDU-Wahlkampagne oder einen von Behörden geschurigelten Westunternehmer in Penig geht.
Früher provozierte Nolle durch politische Inhalte. So arbeitete der Spross einer ursozialdemokratischen Familie, der bei den Jusos in Hannover Vize von Gerhard Schröder war und mit dem heutigen Bundeskanzler einen Verlag betrieb, mit grünen Strategen wie Rudolf Bahro zusammen. 1986 wurde er aus der SPD geworfen, weil er um Zweitstimmen für die Grünen warb. Nachdem Helmut Kohl besiegt war, durfte Nolle zurück in die Partei.
Sein Credo erfolgreicher Oppositionsarbeit besteht heute im »Aufdecken von Skandalen, Verfehlungen und Affären« als !i »demokratischer Veränderungsstrategie«. - Der Unterhaltungswert ist hoch. Die Strategie Nolles trifft auch auf Skepsis. Kritiker weisen darauf hin, dass Sachsens CDU im Gefolge der Enthüllungen den selbstherrlichen Regierungschef Biedenkopf durch den Machertyp Georg Milbradt ersetzt hat. Dieser konnte danach die aus Loyalitätsgründen ernannte, aber blasse Ministerin Weber durch eine Fachfrau ablösen. Auch Rasch, auf den sich Nolle jetzt einschießt, gilt CDU-intern als schwach. Milbradt dürfte nicht undankbar sein, wenn der Platz frei wird.
(von Hendrik Lasch)